Entgegen der ursprĂŒnglichen AnkĂŒndigung wurde das Urteil im Prozess gegen Daniel S. nicht wie geplant um 15:30 Uhr verkĂŒndet, sondern erst um 16:05 Uhr. Der zunĂ€chst genannte Zeitpunkt war offenbar nicht mehr haltbar. Bereits gegen 15:30 Uhr waren jedoch Schöffen auf dem Flur zu sehen, was darauf hindeutet, dass der Vorsitzende Richter die zusĂ€tzliche Zeit nutzte, um seine UrteilsbegrĂŒndung abschlieĂend zu formulieren und seine Notizen zu ordnen.
Um 16:05 Uhr verkĂŒndete das Gericht schlieĂlich im Namen des Volkes das Urteil gegen den Angeklagten Daniel S.:
Wegen mehrfachen Mordes in Tateinheit mit mehrfach versuchtem Mord, Brandstiftung, schwerer Brandstiftung sowie mehrfacher Körperverletzung wurde der Angeklagte schuldig gesprochen.
Das Gericht verurteilte Daniel S. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Zudem stellte die Kammer die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die anschlieĂende Sicherungsverwahrung an.
Im Anschluss an die strafrechtliche Entscheidung folgte die zivilrechtliche Festlegung der EntschĂ€digungszahlungen. Das Gericht sprach Schmerzensgeld, sowie Hinterbliebenenleistungen in unterschiedlicher Höhe zu: 20.000 Euro, 2.000 Euro, 15.000 Euro und 10.000 Euro. Die BetrĂ€ge sind auf Hinterbliebene der Familie Z. sowie die Familie K. aufzuteilen.Im Rahmen der AdhĂ€sionsentscheidung (Schadensersatz und EntschĂ€digung) wurde festgelegt, dass die zugesprochenen GeldbetrĂ€ge mit fĂŒnf Prozentpunkten ĂŒber dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen sind. DarĂŒber hinaus haftet der Angeklagte auch fĂŒr zukĂŒnftige materielle und immaterielle SchĂ€den, die infolge der Taten entstanden sind. Diese und weitere sogenannte AdhĂ€sionsansprĂŒche wurden vom Gericht vorlĂ€ufig festgestellt und können zu einem spĂ€teren Zeitpunkt noch erweitert oder konkretisiert werden. AbschlieĂend wurde dem Angeklagten auferlegt, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Richter Kötter beginnt die UrteilsbegrĂŒndung mit dem Hinweis, dass es sich bei der verhĂ€ngten Strafe um die höchste handelt, die das deutsche Strafgesetzbuch vorsieht. Er macht deutlich, dass auch fĂŒr ihn persönlich und fĂŒr die Kammer die VerhĂ€ngung einer solchen Strafe keineswegs alltĂ€glich sei. Es handele sich nicht um einen normalen Fall, sondern um eine Ausnahmesituation, auch aus Sicht des Gerichts.
Im weiteren Verlauf der UrteilsbegrĂŒndung kĂŒndigt Richter Kötter an, nun stichpunktartig zur Einordnung der psychischen Voraussetzungen des Angeklagten ĂŒberzugehen, zur besseren VerstĂ€ndlichkeit fĂŒr alle Anwesenden, wie er sagt. Dabei verweist er auf den psychiatrischen SachverstĂ€ndigen Prof. Dr. Faustmann, dessen EinschĂ€tzungen er mehrfach aufgreift.
Im Mittelpunkt steht zunĂ€chst das Aufwachsen des Angeklagten. Nach Auffassung des Gerichts hat der elterliche Haushalt entscheidend dazu beigetragen, dass Daniel S. eine tiefe Entwurzelung erfahren habe. Ausgelöst durch die Trennung der Eltern und den Umzug mit der Mutter nach Mecklenburg-Vorpommern. Dieses frĂŒhe Erleben von InstabilitĂ€t und Ortswechsel habe bei ihm das GefĂŒhl stĂ€ndiger Bindungslosigkeit hinterlassen.
Daniel S. sei frĂŒh ein EinzelgĂ€nger gewesen, so der Richter. Die Wertevermittlung im Elternhaus wird als fragwĂŒrdig beschrieben. In den Explorationen habe Daniel S. diese Lebensphase selbst als ein Dasein ohne Anschluss beschrieben, ein permanentes GefĂŒhl des Nicht-richtig-Ankommens. Ihm hĂ€tten Bezugspersonen gefehlt, auch soziale Kontakte seien nur in geringem MaĂe vorhanden gewesen oder hĂ€tten ganz gefehlt. In der Summe habe sich so, wie es im Gerichtssaal formuliert wird, ein sehr âblasserâ Mensch entwickelt â ein Mensch, dem grundlegende Orientierung, soziale Eingebundenheit und Wertebezug fehlten.
Also jemand, dem es an all diesen sozialen und gesellschaftlichen BezĂŒgen fehlte, der mit diesen Werten nichts verbinden könne. Der Vorsitzende kommentiert die Entwicklung des Angeklagten mit den Worten, âes muss da doch vieles im Argen gelegen haben.â AnschlieĂend spricht er ĂŒber den BetĂ€ubungsmittelkonsum, der bei Daniel S. schon sehr frĂŒh begonnen habe.
Er fĂŒhrt aus, dass Daniel S. nie in einen sozialen Kontext eingebunden gewesen sei, wie es bei einer solchen Form des Konsums sonst ĂŒblich sei. Auch bei der Beschaffung und dem Konsum der Drogen habe er nicht auf gemeinsamen Konsum innerhalb Peer-Groups oder ein gemeinsames Partyleben zurĂŒckgegriffen, sondern in stiller Einfalt allein konsumiert. Er bezeichnet ihn wortwörtlich als âEigenbrötlerâ und âEinsiedlerâ und spricht resĂŒmierend von einer âunguten Mischungâ.
BezĂŒglich des Drogenkonsums fĂŒhrt der Richter aus, dass Daniel S. sich an einzelnen Stellen Hilfe gesucht habe und somit selbst erkannt haben muss, wie hoch sein Konsum gewesen sei. Zudem habe Daniel S. in einer Exploration angegeben, es fĂŒhle sich an, als habe er âzwei Betriebssystemeâ in sich. Der SachverstĂ€ndige verneinte jedoch eine Schizophrenie, die seine Freundin, die Zeugin Jessica B., erwĂ€hnt hatte und die Daniel S. ihr gegenĂŒber angeblich angesprochen habe.
Der Amphetaminkonsum von Herrn S. sei also so ausgeprÀgt gewesen, dass er sich eigenstÀndig zu einer Therapie entschied. Allerdings habe Daniel S. sich nicht motivieren können, diese Therapie lÀnger durchzuhalten. Er verbrachte viel Zeit passiv auf der Couch und zeigte keine intrinsische Motivation sich, beispielsweise beruflich, zu betÀtigen. Die Ausbildung brach er ab und die meiste Zeit blieb er ohne BeschÀftigung.
ZusĂ€tzlich kamen weitere Stressfaktoren hinzu. Richter Kötter erwĂ€hnt in diesem Zusammenhang die Partnerschaften des Angeklagten, die brĂŒchig gewesen seien und nicht die stabilisierende Wirkung entfaltet hĂ€tten, die in der ersten Exploration noch angenommen wurde. Auch die Ex-Freundin Luisa Maria P. habe die Persönlichkeit des Angeklagten als von geringer Motivation und innerer SchwĂ€che geprĂ€gt geschildert. Jessica B. hingegen habe eine auf den ersten Blick stabilisierende Situation dargestellt, die jedoch lediglich eine Ă€uĂere Fassade gewesen sei, hinter der es innerlich ganz anders ausgesehen habe, so hatte es Dr. Faustmann ausgefĂŒhrt. Die Nebenklage habe diese Verbindung zu Jessica B. einseitig interpretiert.
Richter Kötter Ă€uĂerte, man könne nun ĂŒberlegen, welche Worte zur Beschreibung der Situation geeignet seien. Er griff das von NebenklageanwĂ€ltin Seda BaĆay-Yıldız benannte âDoppellebenâ des TĂ€ters auf.
Demnach habe sich Daniel S. seinen Problemen entzogen, sich isoliert und nicht geöffnet, was auch durch die Aussagen der Zeugin Jessica B. bestĂ€tigt wurde. Der soziale RĂŒckzug habe bereits im Jahr 2014 begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte teilweise tagelang abwesend gewesen. Auch die Daten aus der Google-Cloud belegten seine AktivitĂ€t wĂ€hrend dieser Zeit. In Phasen des RĂŒckzugs habe Daniel S. seinen Umgang mit der Situation vor allem durch elektronische Musik gefunden.
Weiterhin beschrieb Kötter den Angeklagten als unauffĂ€lligen Zeitgenossen mit situativ adĂ€quatem Verhalten gegenĂŒber Mitmenschen und hilfsbereiter Haltung. Er habe kurze soziale Kontakte absolvieren können und war in der Lage, mit Nachbarn zu sprechen und ihnen bei Bedarf Hilfe zu leisten. Eine dauerhafte und verlĂ€ssliche Bindung sei ihm jedoch nicht gelungen.
Er habe, so betont Kötter, eine âsehr vernĂŒnftige Bildungâ. Und spricht dann davon, dass Daniel S. âkeineswegs dummâ sei. Der Richter fĂŒhrte weiter aus, dass den Bekanntenkreis von Daniel S. ĂŒberwiegend unauffĂ€llige Kontakte prĂ€gten. Er betonte mehrfach, dass diese Kontakte, auch in Bezug auf die sogenannte âLandsmannschaftâ, unauffĂ€llig gewesen seien.
Der Begriff âLandsmannschaftâ wurde von ihm wiederholt verwendet. Ob dies ein möglicher juristischer Begriff fĂŒr Staatsangehörigkeit oder eine Umschreibung fĂŒr Menschen mit einer Migrationsgeschichte ist, blieb unklar. AuffĂ€llig war jedoch, wie hĂ€ufig er diesen Begriff in seinen AusfĂŒhrungen nutzte, wohingegen er sich auch im Verfahren erwehrt hatte, Worte wie âRassismusâ klar zu benennen.
Bezogen auf die Aussagen der Zeug*innen im Verfahren stellte Kötter fest, dass diese keinen gewalttĂ€tigen Psychopathen beschrieben hĂ€tten, sondern vielmehr einen Menschen, der angenehm auftrat, liebenswert wirkte und sich in belastenden Situationen zurĂŒckgezogen habe.
Weiter fĂŒhrte er aus, dass sich der Angeklagte an manchen Tagen offensichtlich nicht wohl gefĂŒhlt habe. Im Jahr 2022 habe sich aufgrund seiner brĂŒchigen Persönlichkeit und als Selbstschutz das Bild eines instabilen Menschen weiter verdichtet. Kötter verwies darauf, dass man dies auch an Verhaltensweisen erkenne, wie sie etwa bei Personen zu beobachten seien, die sich selbst verletzen durch âritzenâ â jedoch mit dramatischen Auswirkungen auf die Opfer. Mit dieser Art des Gleichsetzens von Selbstverletzungen und mehrfachem Mord bagatellisierte er das Verhalten von Daniel S. in Anwesenheit der Betroffenen seiner Taten und der Angehörigen der Opfer, die ihm im Rahmen der UrteilsverkĂŒndung gegenĂŒber saĂen.
Zu Beginn der UrteilsbegrĂŒndung widmete Richter Kötter also viel Zeit der oben dokumentierten Darstellung von Daniel S. als einem Menschen, der bereits frĂŒh im sozialen Umfeld benachteiligt gewesen sei und nur wenige soziale Kontakte sowie keinen wirklichen Halt gehabt habe. AnschlieĂend verglich er die aufkommende Aggression des Angeklagten mit Verhaltensweisen, die als autoaggressiv einzustufen seien.
Das Publikum empfand die AusfĂŒhrungen merklich als sehr unangenehm. Deutlich war eine sich langsam ausbreitende Unruhe zu spĂŒren, die sich in vermehrtem Raunen Ă€uĂerte. Die Wut darĂŒber, wie der Richter seine Worte wĂ€hlte und sich ausdrĂŒckte, war im Saal spĂŒrbar.
Nachdem Richter Kötter diesen letzten Vergleich angestellt hatte, erklĂ€rte er, dass Daniel S. in Stresssituationen versuche, die Kontrolle ĂŒber sich und sein Verhalten durch verursachten Schaden zurĂŒckzugewinnen, der ihm in diesen Momenten eine Art Abhilfe verschaffe. Die Unruhen, das Nichtschlafen und das stĂ€ndige Umherlaufen wertete er als Kompensationsmechanismen, körperliche Reaktionen auf das, was Daniel S. empfinde.
Kötter stellte heraus, dass vor dieser Phase keine auffĂ€lligen Verhaltensweisen bekannt gewesen seien, sondern erst spĂ€ter destruktives und schwerwiegendes Verhalten bei ihm aufgetreten sei. Diese EinschĂ€tzung werde durch den psychiatrischen Gutachter Prof. Dr. Faustmann bestĂ€tigt, der ausgefĂŒhrt habe, dass Daniel S. vor allem ein Ventil gesucht habe, um Selbstwirksamkeit zu erlangen. Dabei hĂ€tten vor allem die Orte, denen er Schaden zufĂŒge, im Fokus gestanden, nicht primĂ€r die Menschen selbst.
Vor dem ersten Brandereignis 2022 in der GrĂŒnewalderstraĂe lĂ€gen keine Hinweise vor, die auf vergleichbare VorfĂ€lle oder eine entsprechende Tendenz schlieĂen lieĂen. Dies wird insbesondere dazu genutzt, um die im Vorfeld geĂ€uĂerten Vorverurteilungen bezĂŒglich rassistischer Motive zurĂŒckzuweisen.
Bis zu den Brandlegungen zeigten sich Anzeichen einer fortschreitenden Eskalation, vor allem in Bezug auf die psychische Verfassung von Daniel S. Hierbei wurde Herr Prof. Dr. Faustmann dafĂŒr gelobt, dass er das Bild von Daniel S. unter Einbeziehung dessen Vorgeschichte nachvollziehbar skizziert hat. Die Darstellung der Vorbereitungen zu den Brandlegungen wird als entlastend bewertet. Auch negative GefĂŒhle und der Konflikt mit der Vermieterin werden als belastende Faktoren genannt, ohne dass deren genaue Bedeutung fĂŒr die Tat analysiert wird.
Der Richter beschreibt den von ihm so genannten âKipppunktâ im Jahr 2022, als Daniel S. erstmals in der GrĂŒnewalderstraĂe mit GrillanzĂŒndern und weiteren prĂ€parierten Mitteln einen Brandversuch unternahm. Dabei wird dargestellt, dass ab diesem Zeitpunkt eine deutliche Eskalation eingetreten sei. Das psychiatrische Gutachten von Dr. Faustmann wurde vom Gericht erneut als nachvollziehbare Grundlage herangezogen, welches aufzeigt, dass Daniel S. gezielt an einen ihm bekannten Ort zurĂŒckkehrte, den er mit negativen Erlebnissen verbindet, um dort die Brandstiftung zu begehen.
Richter Kötter sagt, deshalb habe sich der Ort besonders dazu geeignet, den bei ihm bestehenden Ăberlegenheitswahn auszuleben. Die VerknĂŒpfung mit der eigenen Biografie sei laut Kötter von zentraler Bedeutung gewesen.
Im weiteren Verlauf spricht Kötter von möglichen Stressoren, die eine Rolle gespielt haben könnten. Gleichzeitig relativiert er den Begriff und bezeichnet ihn selbst als möglicherweise euphemistisch und unangebracht. Wörtlich sagt er âStress hört sich immer so wenig an.â Er beschreibt die Situation als eine, in der der innere Druck habe nach auĂen dringen mĂŒssen, als eine Art unausweichliche Reaktion.
BezĂŒglich der wĂ€hrend der Verhandlung aufgefĂŒhrten möglichen Motive, spricht Kötter sowohl rassistische als auch stressbedingte mögliche Ursachen an. Er bezeichnet beides als gleichermaĂen âunfassbarâ. Im Originalwortlaut: âDas eine oder das andere ist so oder so unfassbar.â Er fĂŒgt hinzu âDas kann man ja gar nicht beschreiben.â
Er geht anschlieĂend darauf ein, dass Daniel S. grundsĂ€tzlich in der Lage gewesen sei, sein Handeln zu erkennen und die Konsequenzen einzuschĂ€tzen. Es sei ihm, so ein Zitat von Prof. Dr. Faustmann, âgar nicht um die anderen oder die vermeintlichen Opfer gegangenâ, sondern âes gehe ihm um sich selbst.â In diesem Zusammenhang zieht Kötter einen Vergleich zur StressbewĂ€ltigung anderer Menschen und sagt, dass andere âHolzhacken gehenâ wĂŒrden, eine direkte GegenĂŒberstellung zum Verhalten von Daniel S.
Zum Ende verweist er darauf, dass einige der BrĂ€nde sich nicht so entwickelt hĂ€tten, wie es der Angeklagte geplant hatte. Im Originalzitat: âEs hat nicht so funktioniert, so wie er sich das vorgestellt hat.â
Richter Kötter verweist darauf, dass der BrandsachverstĂ€ndige keine MilderungsgrĂŒnde gesehen habe. Zwar habe dieser nochmals auf bestimmte Aspekte hingewiesen, jedoch betont, dass Daniel S. zu keinem Zeitpunkt Anzeichen eines RĂŒcktritts vom Tatgeschehen oder vergleichbare Handlungen gezeigt habe, die auf ein Innehalten oder Umdenken hĂ€tten schlieĂen lassen. Zudem habe der Angeklagte die GefĂ€hrdung der Bewohner erkennen und einschĂ€tzen können.
Kötter geht in diesem Zusammenhang auf die psychischen Folgen ein, die die Taten bei vielen Betroffenen hinterlassen hĂ€tten. Diese seien, unabhĂ€ngig von der konkreten Tat, weiterhin deutlich spĂŒrbar. Die Rede ist von Mord, versuchtem Mord und besonders schwerer Brandstiftung, Delikte, die der Richter als âunfassbarâ bezeichnet. Besonders hebt er die Todesangst hervor, die in dem Notruf hörbar gewesen sei, und stellt die Frage âWas mĂŒssen die da durchgemacht haben?â Gemeint sind dabei insbesondere die Bewohner*innen des Dachgeschosses, Familie Z. sowie die Familie K., die aus groĂer Höhe aus dem 3. Stock des brennenden GebĂ€udes gesprungen sei. Kötter spricht in diesem Zusammenhang von âheroischen Dingenâ.
Er hebt das Verhalten von Herrn Ă. hervor, der beim ersten Brand in der GrĂŒnewalder StraĂe ĂŒberlegt gehandelt habe und zunĂ€chst einen gehbehinderten Mann aus dem Haus gefĂŒhrt habe.
AnschlieĂend nimmt der Richter Bezug auf die AusfĂŒhrungen der NebenklageanwĂ€ltin Seda BaĆay-Yıldız. Er zeigt sich kritisch gegenĂŒber ihrer hinterfragenden Haltung zur Feuerwehr und betont, dass im Jahr 2024 die EinsatzkrĂ€fte sehr schnell reagiert hĂ€tten und dass die BrandsĂ€tze, die sich 2022 unter der Kellertreppe befanden, nicht gezĂŒndet hĂ€tten und bezeichnet den Brand 2022 in dem Zusammenhang als âdilletantischâ. Im Gegensatz zu dem Brandanschlag 2024: Da brannte es âlichterlohâ. AnschlieĂend geht er auf Details der verschiedenen BrĂ€nde ein. In der JosefstraĂe hĂ€tten Nachbarn zum Beispiel die TĂŒr offen stehen lassen und dass 2024 Daniel S. deutlich mehr Brandbeschleuniger benutzt hĂ€tte, mit Docht und ZĂŒndschnur. Im Vorfeld hatte er Details hierzu gegoogelt, wie âBenzinkanisterâ und âExplosionâ.
Den Brand in der JosefsstraĂe nennt er einen Nebenschauplatz. Es habe Auseinandersetzungen mit einem anderen Bewohner des Hauses gegeben, in deren Zusammenhang Daniel S. dessen Bankkarte gestohlen und rund 30.000âŻEuro unterschlagen habe.
Er sagt aber, dass das nur NebenaktivitĂ€ten seien und gar nicht der Hauptfokus, um den sich hier zu kĂŒmmern sei. Er zĂ€hlt hier abermals etwas auf, was mit dem Urteil scheinbar gar nichts zu tun hat und auch im Verfahren nicht zur Debatte stand und kommentiert dies auch so. Den eventuellen Lasten der jeweilig Betroffenen nimmt Kötter sich auch in diesem Zusammenhang nicht an.
Der Richter spricht ĂŒber die NetzaktivitĂ€ten von Daniel S., in denen sich Hinweise auf Stressfaktoren vor dem 15. Februar finden. Themen seien kriminelle AktivitĂ€ten, mit denen er sich intensiv beschĂ€ftigt habe, erkennbar an seinen Suchanfragen. Dass der erste Brand in der JosefstraĂe keine mediale Beachtung fand, habe er als Niederlage empfunden. Die âKatastropheâ 2024 in der GrĂŒnewalder StraĂe werde er nun im Folgenden nĂ€her beschreiben.
Der Richter fĂŒhrt aus, dass Daniel S. um 2:29 Uhr erstmals auf dem Kamerabild erscheint und sich in Richtung des Brandobjekts bewegt. Drei Minuten spĂ€ter sei zu sehen, wie er sich eine Zigarette anzĂŒndet und nochmals zurĂŒckgeht. Sieben Minuten danach kehrt er erneut zum Brandort zurĂŒck und entfernt sich dann wieder. Laut Aufnahmen sowie der Aussage der Zeugin Breuer war er bereits zwei Stunden zuvor vor Ort. Kötter beschreibt, dass Daniel S. bereits frĂŒher am Abend bzw. in der Nacht dort âumherstrichâ. Ob er zu diesem Zeitpunkt bereits BrandsĂ€tze bei sich trug oder spĂ€ter weitere gelegt habe, sei unklar.
Um 2:40 Uhr verlÀsst der TÀter laut Videoaufzeichnung den Tatort. Um 2:47 Uhr geht der erste Notruf ein, um 2:53 Uhr werden die Stadtwerke alarmiert, und um 2:55 Uhr trifft die Drehleiter als letzte Einheit am Einsatzort ein.
Der Richter betont, dass Kritik an möglichen Fehlern legitim sei, Ă€uĂert jedoch deutlich, dass die öffentliche Infragestellung der Feuerwehr durch NebenklageanwĂ€ltin Seda BaĆay-Yıldız in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei. Wörtlich sagt er, wenn sich Frau BaĆay-Yıldız âdahin stellt und die Feuerwehr in Frage stelltâ, sei das unangemessen. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Aussage eines Feuerwehrhauptwachtmeisters, der geschildert habe: âDann sprangen die, dann war fĂŒr uns keine Veranlassung, die Drehleiter weiter auszufahren.â
Kötter hebt hervor, dass BaĆay-Yıldız als Opfervertreterin zwar parteiisch sein dĂŒrfe, jedoch sei es in diesem Moment unangemessen gewesen, zu diskutieren, warum die Feuerwehr nicht frĂŒher ausgerĂŒckt sei. Er sagt: âAuch wenn ich da jetzt einen Shitstorm kriege, das wĂŒrde ich beanstanden.â Der Richter verweist erneut auf die Aussage des Feuerwehrhauptmanns, der diesen Einsatz als den schlimmsten seiner 25 Dienstjahre bezeichnete. Bei jemandem, âvon dem man zu Recht erwartet, dass er einiges gesehen hatâ. Das Erlebte habe die EinsatzkrĂ€fte stark mitgenommen, etwa der Flammenschlag aus den Fenstern und das Bild, das sich ihnen beim Eintreffen bot, âals schon praktisch nichts mehr zu machen warâ.
Er geht nochmals auf die Kritik von Basay-Yildiz ein und lobt im Gegensatz dazu Herrn Bona fĂŒr seinen Umgang mit dieser. Bona habe die Kritik âeinfach weggestecktâ, obwohl sie ihn hĂ€tte treffen können. Dabei bezieht er sich darauf, dass BaĆay-Yıldız Bezug auf den Kommentar von Staatsanwalt Bona genommen hat âdurch verschlossene TĂŒren hĂ€tte womöglich Schlimmeres verhindert werden können.â Die TĂŒröffnung habe es ânatĂŒrlich schwerer gemacht, die Familien noch retten zu könnenâ. Hier kritisierte BaĆay-Yıldız im Vorfeld stark die Verschiebung der Verantwortung und darin enthaltene TĂ€ter-Opfer-Umkehr. Dazu sagt Kötter in Bezug auf die Aussage von Staatsanwalt Bona: âDas war natĂŒrlich ĂŒberhaupt gar kein Vorwurf, das kann ich auch verstehen, dass man das analysiert.â Er fĂŒgt hinzu, auch er selbst sei ânicht ganz richtig zitiert wordenâ und habe das ânicht ganz fairâ gefunden. Auch ihm hĂ€tten die MaĂregelungen durch BaĆay-Yıldız zugesetzt. Dies habe keine besonnene VerhandlungsatmosphĂ€re gefördert, vielmehr sei es zu âdemonstrationsartigen VerhĂ€ltnissenâ im Sitzungssaal gekommen.
Er lobt die Anwesenden, insbesondere die Opfer und Angehörigen, fĂŒr ihre Selbstbeherrschung im Kontrast zur GefĂŒhllosigkeit des TĂ€ters: âBewundernswert, wie Sie das hier schaffen.â
Er spricht auch nochmal â und hier zitiert er den Verteidiger â von der hohen Verantwortung, die auch unter dem Eindruck vom Brandanschlag in Solingen 1993 im Gerichtssaal zu spĂŒren gewesen wĂ€re.
Kritik weist Kötter dort zurĂŒck, wo etwa BaĆay-Yıldız den Staatsanwalt als âmenschenverachtendâ bezeichnet habe. Solche ĂuĂerungen gingen seiner Ansicht nach âweit ĂŒber das Ziel hinausâ. An die Familie Zhilov gerichtet sagt er: âWir (die Kammer) haben uns das nicht leicht gemacht.â
Er geht nochmals auf den Zeugen ein, der zu Protokoll gegeben hatte, er habe âgesehen, wie da einer gebrannt hatâ. Kötter betont, dies sei laut Ortsbegehung und Aussagen des BrandsachverstĂ€ndigen so nicht möglich gewesen. Die Aussagen des Zeugen seien zudem uneinheitlich gewesen. Seit der Rekonstruktion mĂŒsse klar sein, dass dieser lediglich Feuer gesehen habe.
In erschĂŒtternder Detailliertheit beschreibt Kötter, wie die Familie Zhilov zu Tode gekommen sein muss. Er geht auf den Anruf um 2:45 Uhr ein: âBruder, Bruder, wir verbrennen hierâ und erklĂ€rt, dass die Todesursache eine Rauchgasvergiftung gewesen sei, die dem Verbrennen der Körper zeitlich vorausging. Es sei eine groĂe Menge giftiger Rauch eingeatmet worden. Dies hĂ€tten auch die rechtsmedizinischen Untersuchungen der Leichen ergeben. Weitere Verletzungen seien nicht todesursĂ€chlich gewesen. Er stellt fest, dass alle Opfer von Daniel S. psychisch fĂŒr ihr Leben gezeichnet seien. Die psychische Dimension sei kaum vorstellbar. Mit Blick auf den GeschĂ€digten Herr K. sagt Kötter, dessen Zustand habe sich zwar inzwischen zum GlĂŒck gebessert, aber zwischenzeitlich âhörte sich das ja gar nicht so vielversprechend anâ. Was Familie K. und andere durchleiden mĂŒssten, sei kaum in Worte zu fassen.
Dann wendet sich Kötter an RenĂ© S., der im Sitzungssaal anwesend ist. Er erinnert daran, dass RenĂ© S. und der TĂ€ter frĂŒher befreundet gewesen seien. In diesem Moment schauen sich die beiden an.
Zur Tat an RenĂ© S. sagt er, es mĂŒsse bei Daniel S. eine emotionale Aufladung gegeben haben, als dieser unvermittelt auf ihn einschlug, ihn mit einem Spray und anschlieĂend mit einer Machete attackierte. Dies seien gezielte VerschleierungsbemĂŒhungen gewesen. Eine Bagatellisierung auch dieser Tat von Daniel S.
An RenĂ© S. gewandt sagt Kötter, dieser sehe heute schon erstaunlich viel besser aus, wenn man dessen SchĂ€delfrakturen und Verletzungen noch vor Augen habe und sagt, das war ja ein Wunder, der SchĂ€delknochen war abgesprungen und teilweise skalpiert. Das sei, Zitat: âschon hinterhĂ€ltig, wenn einen der beste Freund hinterhĂ€ltig angreiftâ.
Kötter hĂ€lt kurz inne und reflektiert: âVielleicht sollte ich es anders machen und bei den Dingen bleiben, die das Urteil herbeifĂŒhren.â So korrigiert auch er sich im Sprechen, sagt aber dennoch die Dinge, die er nicht sagen will.
Er fĂŒhrt aus, dass die Tat aus dem Jahr 2024 zwar fĂŒr sich genommen monströs gewesen sei, die vorhergehenden Taten aber schon fĂŒr ein lebenslanges StrafmaĂ ausgereicht hĂ€tten: FĂŒr die Tat 2022 â 9 Jahre, fĂŒr die JosefstraĂe â 6 Jahre, fĂŒr die Tat gegen RenĂ© S. â nochmals 9 Jahre. Zusammengenommen hĂ€tte dies ohnehin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe gefĂŒhrt. Mit der Tat in der GrĂŒnewalder StraĂe sei die Schwelle fĂŒr lebenslĂ€nglich, insbesondere mit besonderer Schwere der Schuld in der Vielzahl von Getöteten und GeschĂ€digten, weit ĂŒberschritten. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung wĂŒrde ja auch klar darauf hindeuten, dass Daniel S. âfĂŒr sehr lange Zeit nicht mehr freiâ kommen werde.
Er fragt rhetorisch: âIch weiĂ nicht, ob ich mich da jetzt noch weiter in Details versteigen soll.â Es ginge hier schlieĂlich um lebenslĂ€nglich mit besonderer Schwere der Schuld und Sicherheitsverwahrung. Kötter geht nochmals auf das GestĂ€ndnis von Daniel S. ein und darauf, dass dieser sich schlieĂlich doch einer psychologischen Exploration unterzogen habe, obwohl er dies zunĂ€chst abgelehnt hatte. Ob das den Opfern helfe, bleibe fraglich. Prof. Dr. Faustmann habe in drei GesprĂ€chen jedoch Erkenntnisse ĂŒber Daniel S. gewonnen, denen er sich freiwillig gestellt habe.
Kötter beschreibt Daniel S. als apathisch und regungslos, jetzt, wĂ€hrend der gesamten Verhandlungstage und wĂ€hrend der UrteilsverkĂŒndung. Dennoch bezeichnet er es als besondere Leistung, dass Daniel S. sich eingelassen und ausgesagt habe. Denn das Anrecht auf Wahrheit der Opfer wĂŒrde dem Schweigerecht, das ein Angeklagter in diesem Moment habe, widersprechen. Die GeschĂ€digten könnten letztlich froh sein, dass Daniel S. sich zu diesem Schritt entschlossen habe. Nun gebe es ein Gesicht: âSie wissen jetzt: Das ist der, der dafĂŒr verantwortlich ist.â
Dann spricht er die Frage an, ob es sich bei Daniel S. um einen rechtsradikal motivierten TĂ€ter handelt. Dabei stellt er klar, Seda BaĆay-Yıldız habe mit ihren Forderungen nach weiteren Ermittlungen richtig gehandelt. Sie habe berechtigt auf die Interessen der Opfer verwiesen und auch ihre Interviews in der Presse seien âĂŒberhaupt gar kein Problemâ. Problematisch sei allerdings der von ihr erhobene Vorwurf der Vertuschung.
Kötter argumentiert: Im Gegenteil, der Rechtsstaat habe hier funktioniert. Die Polizei habe Fehler gemacht, die Staatsanwaltschaft habe diese nicht verschleiert, die Nebenklage habe sie benannt, die Kammer habe sie aufgenommen. Dann sei die Notwendigkeit entstanden, diese Ermittlungen nachzuholen. Dass zunĂ€chst mit zu wenig Personal gearbeitet wurde, sei ein gesonderter Punkt. Er sagt wörtlich: âDann war der Skandal geboren.â Und weiter: âAlles, was da war, ist ausgewertet worden. Die Polizei hat sozusagen gebĂŒĂt.â Er betont: âWir haben uns immer bemĂŒht, sodass wir uns jetzt auch nicht so fĂŒhlen mĂŒssen, dass wir nicht alles getan hĂ€tten.â
Er verweist auf § 202 StPO (Beweiserhebung) und sagt, alle erforderlichen MaĂnahmen seien ergriffen worden. Der Aufwand sei enorm gewesen und der Umfang, der darin noch zu âtuenden MaĂnahmenâ unterschĂ€tzt worden. In bestimmten Bereichen sei âherausragend ermitteltâ worden. Teils hĂ€tten Beamt*innen ĂŒber 100 Stunden gearbeitet, auch an Wochenenden.
Kötter wendet sich gegen die Interpretation von BaĆay-Yıldız und betont, dass ein rechtsradikales Motiv klar nachgewiesen werden mĂŒsse, um es als solches zu benennen. Die Konflikte mit auslĂ€ndischen Nachbarn, etwa mit Herrn H. aus der NormannenstraĂe, seien laut Prozessverlauf eher Nachbarschaftsstreitigkeiten gewesen. BaĆay-Yıldız habe in ihrem PlĂ€doyer davon gesprochen, dass sie selbst in ihrer geschĂŒtzten Welt lebten, wo so etwas nicht passiere. Er sagt dazu: Auch Daniel S. habe in einem Haus mit hoher DiversitĂ€t der Anwohnerschaft gelebt.
Er wirft der Nebenklage vor, an einigen Stellen nicht ganz korrekt zitiert zu haben. Es habe lediglich eine Suchanfrage bei Compact gegeben, keine tiefergehenden Recherchen. Zur Löschung der rechtsradikalen Inhalte auf einer Festplatte sagt er, diese habe bereits vor der Sicherung stattgefunden, es gebe keine Anzeichen, dass der TĂ€ter versucht habe, die Daten vorher wiederherzustellen. Daraus etwas abzuleiten, sei âsehr weit gegriffenâ.
Er geht nochmals auf den Vergleich ein mit Hanau, der ursprĂŒnglich von BaĆay-Yıldız angefĂŒhrt wurde. Auch dort habe man dem TĂ€ter zunĂ€chst keine rechtsextremen AktivitĂ€ten nachweisen können, âdann hat man ihn auf links gedreht, und dann hat man gesehen, wes Geistes Kind der ist, wie er sich radikalisiert habeâ. Bei Daniel S. sei das ausdrĂŒcklich nicht der Fall gewesen.
Zum Brand in der NormannenstraĂe sagt er, dass nach menschlichem Ermessen kein anderer TĂ€ter in Frage komme. Daniel S. habe hierzu allerdings nichts gesagt. Kötter rĂ€t ihm: âNutzen Sie Ihre Zeit sinnvoll.â Er reflektiert nochmals die Exploration durch Prof. Dr. Faustmann und wirft die Frage auf, ob die Idee, dass dort Menschen sterben fĂŒr die eigene Selbstaufwertung, notwendig gewesen sei. DarĂŒber könne man jetzt nur spekulieren.
Zum AdhĂ€sionsverfahren (Schadensersatz und EntschĂ€digung) sagt er, dieses habe vor allem symbolischen Wert: âWenn man da jetzt noch ein bisschen Geld kriegt.â
AbschlieĂend wendet er sich erneut an Daniel S.: Man werde ihn in der JVA jetzt âgenau unter die Lupe nehmen, auch was die Psyche betrifftâ. Er ginge davon aus, dass Herr Bona dies bereits veranlasst habe.
Zum Schluss spricht Kötter sich fĂŒr einen fairen Umgang im Gericht aus, auch wenn man nicht immer einer Meinung sei. Den Opfern und Angehörigen wĂŒnscht er: âAlles Gute, sofern das möglich ist.â
Damit endet seine UrteilsbegrĂŒndung und die gesamte Verhandlung.