Zusammenfassung:
FĂŒr den heutigen Prozess wird eine Nachbarin des TĂ€ters Daniel S. geladen, die mit ihm, dessen Partnerin und den Eltern in einer Hofschaft in Solingen lebt. Die Nachbarin hatte sich zuvor bei der Polizei gemeldet und dort ausgesagt, dass ihr Jessica B., die Partnerin des TĂ€ters, kurz nach dessen Verhaftung gestanden habe, dass er auch fĂŒr den Brandanschlag in der Wuppertaler NormannenstraĂe verantwortlich ist. Zudem berichtet die Nachbarin von ihren Erfahrungen und EindrĂŒcken zu Daniel S. und dessen familiĂ€ren sowie sozialen Umfeld, insbesondere zu NS-verherrlichenden Aussagen des TĂ€ters und rassistischen âStammtischparolenâ des Vaters und Umfelds.
In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli â also vor ihrer gerichtlichen Aussage â wird sie von Jessica B. und einer weiteren Nachbarin, der Frau von Marcel L. (Die IdentitĂ€ren und ehemals NPD) unter Druck gesetzt, in dem ihre Katzenklappe spĂ€tabends aufgebrochen und ihr ein Brief eingeworfen wird. In Panik ruft sie die Polizei, die sie nachts zu ihrer Tochter bringt. Dazu mehr im folgenden Bericht.
Des Weiteren stellt der psychologische Gutachter Prof. Dr. Faustmann sein abschlieĂendes psychiatrisches Gutachten ĂŒber den TĂ€ter vor und es werden alle AntrĂ€ge von BaĆay-Yıldız abgelehnt. Diese wird wegen ihres Urlaubs in der heutigen Sitzung von Andrea GroĂ-Bölting vertreten. Der Anwalt Fatih Zingal und seine Klienten, Kancho Zhilovs Eltern, sind heute nicht beim Prozess dabei.
Bericht der Nachbarin: NS-Verherrlichung und Garagen-Treffen mit âAuslĂ€nderdebattenâ
Die Nachbarin wohnt seit 2012 in der gleichen Hofschaft, wo auch Daniel S. und Jessica B. seit 2022 gewohnt haben bzw. Jessica B. auch nach wie vor noch lebt. Das Haus des Paares ist auf der gegenĂŒberliegenden Seite ihrer Terrasse, in der Nachbarschaft seien alle per âDuâ.
Ăber ihr persönliches VerhĂ€ltnis zum TĂ€ter sagt die Nachbarin aus, dass er ihr gegenĂŒber sehr hilfsbereit gewesen sei, ihr mal Blumen gebracht oder einen verletzten Finger verbunden habe. Seinem Vater Rudolf S. (Rufname: Rudi) gehört das Haus, in dem Daniel S. zuletzt lebte. Dieser selbst sei nach dem Tod seiner Mutter in ihr Haus ein StĂŒck weiter gezogen. Das Leben in der Hofschaft rund um die Familie S. beschreibt die Nachbarin wie folgt: In Rudolf S. Garage fĂ€nden vor allem seit dem Ausbruch der Coronapandemie regelmĂ€Ăige Treffen statt, es werde oft ab Mittag getrunken. Richter Kötter vergleicht es mit einem âNachbarschaftstreffâ, was die Nachbarin bestĂ€tigt. Die Nachbarin sagt aus, es trĂ€fen sich ĂŒberwiegend dieselben MĂ€nner, ab und an auch Daniel S. Mutter und dessen Bruder. Auch Daniel S. sei öfter dabei gewesen, aber nicht so regelmĂ€Ăig wie die anderen. Die Nachbarin hatte nach eigener Aussage ein gutes VerhĂ€ltnis zu Daniel S. und Jessica B. und vor allem zu letzterer ein engeres VerhĂ€ltnis. Sie sei auch mehrfach in deren Wohnung gewesen, jedoch nur im ersten und zweiten Stock â von der Nutzung anderer Geschosse wisse sie nichts.
Ăber Jessica B. sagt sie aus, dass diese wĂ€hrend des Einzugs 2022 lange krank gewesen sei und danach einen BĂŒrojob bei einer Firma in Köln bekommen habe. Sie arbeite aber viel im Homeoffice. Das VerhĂ€ltnis zwischen Rudolf S. und dessen Sohn Daniel S. beschreibt sie als âauf den ersten Blick ganz in Ordnungâ.
Zu etwaigen Nachbarschaftskonflikten in der Hofschaft befragt sagt sie aus, dass sich ein âdeutscher Nachbarâ ĂŒber Daniel S. Gartenarbeiten zu spĂ€ter Stunde beschwert habe aber auch darĂŒber, dass sie zu laut lache. Zu Konflikten mit italienischen Nachbarn befragt sagt sie, diese hĂ€tten „viel Zeug“ in einem GartenstĂŒck rumliegen, woraufhin Daniel S. ein âRiesenplakatâ mit der Aufschrift âDieser MĂŒll gehört zur HausnummerâŠ(*des italienischen Nachbarn)â aufgehĂ€ngt habe. Die âLeute aus der Garageâ hĂ€tten auch Streit mit dem italienischen Nachbarn gehabt, wohl wegen des Wegerechts.
Zur politischen Einstellung von Daniel S. befragt, sagt sie zunĂ€chst, dass sie es nicht so genau sagen könne, da sie nie explizit ĂŒber Politik gesprochen hĂ€tten. Es gab aber durchaus âMomenteindrĂŒcke, wo ich dachte: Ohaâ. Als Beispiel nennt sie Daniel S. Aussage, dass man nicht mehr durch Wuppertal-Oberbarmen gehen könne âwegen der vielen AuslĂ€nderâ. Eine weitere Situation aus dem Sommer 2023 habe sie nachhaltig sehr schockiert. Die Nachbarin sei auf ihrer Terrasse gewesen und habe sich laut murmelnd ĂŒber etwas aufgeregt. Daraufhin habe Daniel S., der gerade âfurchtbare Musikâ hörend im Garten arbeitete, sie gefragt, was los sei. Als Tipp zur BewĂ€ltigung mit ihrer Unzufriedenheit habe er ihr gesagt âMach das so wie ich. Ich mache mir hier Musik aus der NS-Zeit an. Das hat im Dritten Reich funktioniert und das funktioniert auch jetzt. Das hat Struktur.â Die Nachbarin sei zu schockiert gewesen und habe ihn nicht weiter damit konfrontiert.
Kötter fragt sie, ob sie das Lied habe identifizieren können. Sie verneint und sagt aus, die Polizei habe ihr bei ihrer Befragung das Lied âErikaâ vorgespielt, was es nicht gewesen sei. Text habe sie auch nicht verstehen können aber Daniel S. habe es selbst als âNS-Schlagerâ bezeichnet. Richter Kötter fragt weiter, ob das âVerhalten oder Tunâ von Daniel S. damit in Einklang zu bringen sei, dass er âauslĂ€nderfeindlichâ gesinnt sei. Das kann die Nachbarin nicht beurteilen, habe ihn aber auch nie mit Migranten erlebt.
Zu Daniel S. Umfeld und deren politischer Einstellung befragt, sagt sie aus, dass Jessica B.s Schwester fĂŒr die SPD im Bundestag ist â Jessica B. sei darĂŒber begeistert gewesen aber ihres Eindrucks nach generell eher unpolitisch. Es gĂ€be immer wieder âkleinere Sachenâ, die ihr auffielen. Zum Beispiel habe Rudolf S. ihr mal beim Arbeiten in der Garage stolz gesagt, nachdem sie ihn dafĂŒr gelobt hatte, wie fleiĂig er sei: âEin deutscher Mann arbeitetâ. Auch bei den nachbarschaftlichen Treffen in der Garage ginge es öfter um âAuslĂ€nderdebattenâ. Ein Mal zum Beispiel hĂ€tten sie sich sehr darĂŒber gefreut, dass bei einem Betrugsfall eines ReisebĂŒros Kunden betrogen worden seien. Das habe vor allem tĂŒrkische Menschen getroffen, âda haben sich alle die HĂ€nde gerieben, dass AuslĂ€nder Geld verloren haben.â Richter Kötter beendet den Exkurs zum Umfeld mit der Feststellung, dass es sich dabei aber wohl eher um so âStammtischparolenmanierenâ handele.
War Jessica B. doch Mitwisserin ĂŒber Daniel S. Brandanschlag in der NormannenstraĂe?
Richter Kötter fragt weiter, wie es in der Hofschaft nach der Verhaftung von Daniel S. gewesen sei. Die Nachbarin sagt, dass die Polizei und der WDR dagewesen seien, generell „viel Trubel“. Jessica B. sei sehr aufgelöst gewesen. Ein bis zwei Tage nach der Verhaftung habe die Nachbarin Jessica B. deshalb mit in ihre Wohnung genommen, wo sie sich ihr offenbart habe: Jessica B. erzĂ€hlte ihr, dass sie auf der Polizeiwache Videos von Daniel S. nach der Tat gesehen habe. In der Tatzeit sei er nicht zu Hause gewesen. FĂŒr sie stehe fest, dass er es war. Er habe generell viel geklaut und gelogen. Jessica B. habe der Nachbarin auch gestanden, dass das Haus, in dem sie vorher in Wuppertal gewohnt hatte, auch gebrannt hat.
Jessica B. habe sich gewundert, dass Daniel S. kurz vor dem Brand groĂen Druck auf sie ausgeĂŒbt habe, ihre Sachen aus der Wohnung zu holen. Sie habe dann spĂ€ter von dem Brand erfahren und ihn damit konfrontiert, woraufhin er ihr gegenĂŒber der Brandlegung gestanden habe. Daraufhin habe sie ihm gesagt âMach das nie wieder. Dabei hĂ€tten Menschen sterben können.â (*Anmerkung: An dieser Stelle widersprechen sich die gerichtlichen Aussagen von Jessica B. im letzten Verhandlungstag und den Aussagen der Nachbarin. Siehe Prozessbericht 18: https://adaletsolingen.org/2025/07/17/15-juli-2025-sitzung-18/).
Nach diesem GestĂ€ndnis war die Nachbarin im Urlaub und sehr durcheinander. Als sie nach ihrer RĂŒckkehr gesehen habe, dass in der Hofschaft das Leben weiterging, als sei nichts gewesen, habe sie auch so weitergemacht und sich mit dem Wissen nicht an die Polizei gewandt. Als sie dann aber in der Presse gesehen habe, dass der Brandanschlag in der NormannenstraĂe kein Anklagepunkt gegen Daniel S. ist, sei das der Grund fĂŒr sie gewesen, aktiv zu werden.
Druck und Beeinflussungsversuche auf die Nachbarin seitens Jessica B. und der Frau von Marcel L.
Zur Mitwisserschaft von Jessica B. befragt, stockt die Nachbarin öfter und wirkt verunsichert und aufgeregt, sie bittet um ein Glas Wasser. Dann erzĂ€hlt sie, dass sie in der letzten Nacht kaum geschlafen habe, weil ihr am spĂ€ten Abend vor der Vernehmung im Gericht von einer Nachbarin ein Brief von Jessica B. durch ihre Katzenklappe zugesteckt worden sei, wobei die Klappe beschĂ€digt worden war. In Panik hatte sie die Polizei gerufen und sei zu ihrer Tochter gebracht worden. Sie ĂŒbergibt den Brief an Richter Kötter â die Sitzung wird kurz unterbrochen.
In der Unterbrechung lĂ€sst sich eine Situation im Gang vor dem Gerichtssaal beobachten: Staatsanwalt Bona und Jochen Ohliger, Daniel S. Wahlverteidiger, sprechen miteinander. Bona zu Daniel S. Anwalt: „Das kriegen wir zusammen hin“. Eine unbeteiligte Dritte reagiert darauf mit: „Jo, das ist klar, dass ihr das zusammen hinkriegt.“ Bona: „Das hat nichts hiermit zu tun, nur dass hier keine MissverstĂ€ndnisse entstehen.“
Nach der Unterbrechung wird der Brief von Kötter vorgelesen (Anmerkung: Da den Prozessbeobachter*innen der Brief nicht vorliegt, folgen Direktaussagen und Wortlaute).
„Hallo (Name der Nachbarin), da du auf mein Klopfen und Klingeln nicht reagierst, schreibe ich dir diesen Brief. Bis vor ein paar Tagen war mir die Tragweite dessen, was du bei der Polizei ausgesagt hast, nicht bewusst.â âDu hast da ĂŒbelst was durcheinandergeworfen.â Sie habe âGulaschâ, âKomisches vor allem Falschesâ erzĂ€hlt. âDu hast an dem Abend ne halbe Flasche JĂ€germeister gesoffen.â Das âMach das nie wiederâ seitens Jessica B. gegenĂŒber Daniel S. sei nicht auf die Brandstiftung in der NormannenstraĂe bezogen, sondern bezogen auf BetrĂŒgereien seinerseits unter ihrem Namen. „Das mit Daniel und den Liedern aus der NS-Zeit⊓: Dass âMarschmusik einen beim Arbeiten antreibtâ bedeute nicht, dass es den NS glorifiziere. Ihre gemeinsamen Freunde seien sich darin auch einig. „Dass du mit der Polizei sprichst, ohne mal mit mir zu reden⊓, „Das ergibt alles keinen Sinn, das macht mich alles einfach nur traurig.“ „Das ist eine ganz schĂ€bige Aktion.“ „Deine tĂ€gliche Dosis Alkohol⊓, „Dass man dem Daniel jetzt nun doch den Nazi bzw. Rechtsstempel aufdrĂŒckt, ist das dein Ziel?“, „Du hast mir gesagt, dass du weiĂt, dass Daniel kein Rechter ist.“ „Ich glaube, dir ist nicht bewusst, was du tust oder du bist einfach nur gemein und hast es nicht gerafft.“
Nach der Verlesung des Briefes sagt die Nachbarin dazu: „Als sie mir erzĂ€hlt hat, dass das Haus in Wuppertal auch gebrannt hat, da hab ich keineswegs Alkohol getrunken.“ â das sei 1-2 Tage nach Daniel S. Verhaftung gewesen. Erst 2-3 Wochen danach sei der besagte Abend gewesen, an dem sie JĂ€germeister getrunken hatte. Jessica B. habe ihr an diesem Abend generell viel von Daniel S. erzĂ€hlt, – unter anderem, dass er ein ganz lieber Kerl sei und „mit Rechts nicht zu tun habe“. An dem Abend habe die Nachbarin Jessica B. nicht widersprochen, weil beide alkoholisiert waren, ihr dann aber am nĂ€chsten Tag gesagt, sie habe da eine andere Wahrnehmung.
Staatsanwalt Bona fragt: Glauben Sie, dass Daniel ein Rechter ist? Die Nachbarin sagt aus, das könne sie nicht genau sagen. Aber, wenn jemand NS-Lieder hört, mĂŒsse man ja erstmal auf die Idee kommen, da bewusst nach zu suchen. „Da interpretier ich schon, dass er das gut fand.“
Bona will wissen, mit wem die Nachbarin vor ihrer Aussage beim Gericht gesprochen habe. Sie gibt an, sie habe mit einem Bekannten von ihr gesprochen, dessen Namen sie nach Aufforderung Bonas auch namentlich nennt. Er fragt weiter: Was haben Sie dem gesagt? Sie gibt an, dass sie ihrem Bekannten das erzĂ€hlt habe, was ihr von Jessica B. gestanden worden sei, und beide seien zum Ergebnis gekommen: „Wenn ich dann einfach zur Polizei gehe, dann steh ich als die da, die die Hofschaft anschwĂ€rzt.“
Bona fragt mehrfach nach, mit wem sie vorher noch gesprochen hat, und fragt direkt nach einer Person mit Namen. Die Nachbarin gibt an, diese Person habe nur einen Kontakt zur Zeitung taz hergestellt. Bona weiter: Hat die taz Ihnen denn gesagt, gehen Sie zur Polizei? Nachbarin: verneint, die taz habe nur einen Artikel veröffentlicht. Bona: Wieso sind Sie dann doch zur Polizei gegangen? „Weil es um Menschenleben geht, und ich konnte es einfach nicht mehr aushalten.“ Sie habe gedacht, dass Polizei durch die Medien darauf aufmerksam wird. Das sei aber nicht so gewesen, sie sei nicht angesprochen worden.
Bona hakt weiter nach und betont, diese Inhalte seien monatelang durch die Medien gegangen. Dann fragt er die Zeugin, ob sie die Musik im Garten als NS-Musik zuordnen konnte. Sie verneint aber und sagt erneut aus, Daniel S. habe ihr das gesagt und sie habe ihm geglaubt: „Er hat gesagt, dass es Musik aus der NS-Zeit ist.“ Ihr sei der genaue Wortlaut noch genau in Erinnerung.
Bona wiederum: Hat sie jemand beeinflusst mit der Polizei zu sprechen? Die Nachbarin: „Nein, eher im Gegenteil“ Sie wurde eher zur Vorsicht aufgerufen. „Ich möchte mich von niemanden vor den Karren spannen lassen.“ Daraufhin lĂ€sst Bona von dem Thema ab. (Anmerkung: AuffĂ€llig ist an dieser Stelle, dass der Staatsanwalt â wohlgemerkt nicht die Verteidigung des TĂ€ters â offensichtlich nur daran interessiert ist, eine mögliche Vorab-Beeinflussung der Zeugin hinsichtlich eines rassistischen Tatmotivs herauszuarbeiten. Die bedrohliche EinschĂŒchterung mit Brief und beschĂ€digter Katzenklappe ist fĂŒr ihn in der Befragung ebensowenig Thema wie die NS-Glorifizierung des TĂ€ters.)
Kötter fragt sie, ob sie glaube, dass Daniel S. krank sei, da dies in ihrer polizeilichen Aussage wie folgt notiert worden sei: „Ich weiĂ nicht, ob Daniel ein Rechtsextremer ist, aber ich denke, der Mann ist krank.“ Die Nachbarin dementiert: „Das habe ich gar nicht gesagt. Der Staatsschutz hat das aufgeschrieben, aber ich habe nichts gesagt, weil ich niemandem was unterstelle.“ Sie habe sich schon wĂ€hrenddessen darĂŒber gewundert, dass der Vernehmende des Staatschutzes diesen Satz ergĂ€nzt hatte, dachte sich aber, dass mal so stehen zu lassen. Sie sei Sozialarbeiterin im Drogenbereich gewesen und aus ihrer Arbeit sei ihr, Daniel S. âstarre Mimikâ und sein stockender Gang auffĂ€llig vorgekommen. Sie hatte den Eindruck: „Da stimmt was nicht, Da ist irgendwas.“
Das Umfeld des TĂ€ters: Freund und Nachbar des TĂ€ters bei IdentitĂ€ren und AfD-Demos, Bruder des TĂ€ters laut dessen LebensgefĂ€hrtin ein âNaziâ
Andrea GroĂ-Bölting (Vertretung fĂŒr Basay-Yildiz) fragt sie nach den Personen aus der Garage des Vaters und ob sie diese identifizieren könne. Die Nachbarin gibt zu Protokoll, dass Rudolf S. (Vater des TĂ€ters), Raimund (Onkel des TĂ€ters), ein Wölli und ein Stefan regelmĂ€Ăig da seien. GroĂ-Bölting fragt, ob auch Marcel L. öfter dabei sei und wenn ja, wie hĂ€ufig. Laut Nachbarin âeher nichtâ aber „vielleicht hat er mal dazugestanden“. Weiter beschreibt sie, dass âRudiâ (Vater) ein âstĂŒckchenweiterâ mehrere Garagen und ein StĂŒck Wiese gehörten. Im Sommer habe es da mal Treffen gegeben, es wurde gegrillt, Jessica und Daniel seien da gewesen, die Zeugin selbst auch und und generell âviele Leuteâ: „Es ging lustig zu“. Auch Marcel sei dabei gewesen – das sei ihr ganz deutlich in Erinnerung, da er ihr Lachen so ansteckend gefunden hatte.
Auf Nachfrage bestĂ€tigt die Nachbarin, dass Daniel S. Kontakt zu Marcel L. hatte und sagt, dass er ein Freund des Paares ist. DarĂŒber hinaus berichtet sie, dass am Abend zuvor (24.7.2025) Marcel L. zu ihr gekommen sei, nachdem die Katzenklappe kaputt gemacht und der Brief bei ihr eingeworfen worden war. Er entschuldigte sich bei ihr dafĂŒr und sagte, nicht Jessica B. habe den Brief gewaltvoll durch die Katzenklappe gezwĂ€ngt, sondern seine Frau.
GroĂ-Bölting fragt die Zeugin, ob sie die politische Haltung von Marcel L. kenne. Sie antwortet: „Ja allerdings. Wir haben viel diskutiert, der wollte mir immer so ,identitĂ€re Ideenâ mit auf den Weg geben, wollte mich davon ĂŒberzeugen.“ Er sei auch auf einer Demo von AfD und IdentitĂ€ren gewesen: „weiĂ ich, weil ich auf der Gegendemo war.“ Die Frage, ob sie mitgekommen hat, dass Daniel mal etwas zu Marcels politischer Haltung gesagt habe, verneint sie.
An diesem Punkt steigt die Verteidigung des TĂ€ters ein: Ohliger zur Nebenklagevertreterin „Was soll das? Was machen wir hier eigentlich?“. Daraufhin fragt Kötter GroĂ-Bölting, ob sie in der Unterbrechung mit Verfahrensbeteiligten gesprochen habe. Diese verneint und macht deutlich, dass sie als ihre Vertretung von Basay -Yildiz selbstverstĂ€ndlich die Informationen aus den Ermittlungsakten studiert habe und sie nun mit ihren Fragen an die Zeugin weiterfortfahren möchte.
Sie fragt, ob diese den Namen von Marcel L. bei ihrer Aussage bei der Polizei erwĂ€hnt habe. Die Nachbarin verneint. Weiter fragt sie, was sie gefĂŒhlt habe, als sie den Brief bekommen hat. Die Nachbarin: „Wenn mir jemand die Katzenklappe kaputt macht, um mir einen Brief einzuwerfen – da krieg ich Angst.“ Sie habe Panik bekommen und nicht gewusst, wen sie so spĂ€t noch anrufen könne und was sie machen solle. Daraufhin hatte sie die Polizei gerufen. Sie verstehe, dass Jessica enttĂ€uscht sei, âweil sie mir Sachen erzĂ€hlt hat, von denen sie nicht dachte, dass sie sie weitererzĂ€hleâ und weiter „Jessica möchte den Daniel natĂŒrlich schĂŒtzen.“ Jessica B.âs Zuschreibung, dass sie Alkoholikerin sei, widerspricht sie.
Auf die Frage, ob sie den Eindruck habe, dass der Brief sie fĂŒr ihre heutige Aussage beeinflussen sollte, bestĂ€tigt sie: „Im ersten Moment hatte ich das, das hat auch meine Panik verstĂ€rkt.“
Antonakis fragt, wieso sie sich damals nicht gleich an die Polizei gewandt hat. Die Nachbarin: „Ich war völlig kopflos. Der hilfsbereite Daniel, der mir BlĂŒmchen bringt, bringt Menschen um.“ Nach ihrem Urlaub habe sie in der Nachbarschaft / Hofschaft festgestellt, dass alles seinen Gang ging, als sei nichts passiert. Dann habe sie auch weitergemacht.
Nebenklagevertreter Radovslav Radovslavov fragt nach dem Treffen in der Garage und weiteren Familienangehörigen. Die Nachbarin erzĂ€hlt von Daniel S. Bruder namens David, der nicht da wohne aber seit der Verhaftung öfter da sei. Sie habe ihn seitdem mehrmals erlebt – âhochaggressiv, vor allem Jessica gegenĂŒberâ. An dem JĂ€germeister-Abend habe ihr Jessica B. gesagt „Der Daniel hat mit rechts nichts zu tun. Aber der David, das ist ein Nazi.“ Die Zeugin sagt aus, dass sie sich das âvom Ă€uĂeren Erscheinungsbildâ durchaus vorstellen könne „aber nicht jeder, der eine Glatze hat, ist ein Nazi.“ Sie habe allerdings einmal live erlebt, wie er „völlig ausgetickt“ sei und Jessica beschimpft habe. Es ging um eine kranke Taube auf ihrer Terrasse, die aus Jessica B.s und ihrer Sicht nicht mehr zu retten gewesen sei. Daraufhin habe Jessica B. den Vater Rudolf S. angerufen. Plötzlich sei David S. angerannt gekommen, mit einem „hochaggressiven Ausdruck“ und habe Jessica als „Fotze“ beleidigt und daraufhin mit bloĂen HĂ€nden, der Taube „den Hals umgedreht“.
Damit endet die Befragung der Zeugin, ohne dass der Bruder, den die LebensgefĂ€hrtin des TĂ€ters als âNaziâ bezeichnet, auch nur irgendwie thematisiert wird oder in diese Richtung weitere Fragen gestellt werden.
Ohne, dass der Zusammenhang fĂŒr Zuschauende klar wird, werden Bilder aus verschiedenen Akten gezeigt. Unter anderem Fotos aus der verbrannten Wohnung in der GrĂŒnewalderstraĂe mit zensierten Stellen (Balken vor vermutlichen Leichnamen) und einem verkohlten Kinderbett â ohne Vorwarnung und in Anwesenheit der Eltern und GroĂeltern der Ermordeten sowie Ăberlebenden.
Unkommentiert werden auch Fotoaufnahmen aus der Hausdurchsuchung bei dem TĂ€ter gezeigt, darunter diverse Waffen (Macheten, mind. eine Langwaffe und mind. drei Handfeuerwaffen, Chemikalien und Benzinkanister) sowie Fotos aus dem Keller mit dem sog. Lied eines Asylbewerbers, dessen Verbreitung wegen Volksverhetzung strafbar ist. Dieses wird in diesem Zusammenhang laut verlesen.
Auswertung von Audio-Dateien auf Festplatte von Daniel S., Nebenklagevertreterin dazu: „Es wĂ€re wĂŒnschenswert, wenn jemand mit der Auswertung betraut wĂŒrde, der wissenschaftliche Kenntnisse zu Rechtsextremismus hat“
Des Weiteren liest Richter Kötter einen Vermerk von Kriminalinspektion KK 11 (Tötungs-, Brand- und Waffendelikte) im Auftrag des Staatsschutzes zu Audiodatei-Auswertung vom 3.6.2025 vor. Dieser habe 1333 Treffer gefunden, primĂ€r Techno, Deutschrap, Rock, der ĂŒberwiegende GroĂteil sei unpolitisch, 12 Titel seien nicht abspielbar gewesen âaber vom Titel her unauffĂ€lligâ. Vier Titel seien âPMK-Relevantâ (politische motivierte KriminalitĂ€t): Adolf Hitler Remix, Aggro Berlin Nazi Tot, Erika âPlusâ (*Anmerkung: Im Vortrag wird es als âPlusâ gelesen, spĂ€ter stellt sich durch die Nebenklagevertretung heraus, dass es sich bei dem âPlusâ um ein Eisernes Kreuz-Emoji handelt) sowie zwei Audio-Fassungen von Charlie Chaplins Abschlussrede aus „Der groĂe Diktator“.
Bewertung KK11 zu âAdolf Hitler-Hip Hop Remixâ: Ausschnitte aus Reden Hitlers „Wollt ihr den totalen Krieg“ und Hitlers Rufen „Sieg“ und der antwortenden Menge „Heil“ mit Hip Hop hinterlegt. Bewertung des Ermittlers dazu: In diesem Lied seien nur BruchstĂŒcke mit Musik hinterlegt worden, eine zusĂ€tzliche Botschaft sei nicht zu entnehmen, es ginge eher um eine Stimmung.
Bewertung KK11 zu „Aggro Berlin Nazi tot“: Das Lied wird dem Deutschrapper Kaisa zugeordnet. Der Track wird vom Staatsschutz als âgewaltverherrlichend gegenĂŒber Rechtsextremenâ und eher âlinksradikalâ eingestuft (*Anmerkung: Der Rapper Kaisa ist wegen seiner homophoben und antisemitischen sowie holocaustleugnenden und verschwörungsideologischen Lyrics und Aussagen seit einigen Jahren bei Rechtsextremen beliebt. Um dies herauszufinden, benötigt es keinerlei kriminologischer Kompetenz, sondern lediglich zwei Google-Suchen und der LektĂŒre des Wikipedia-Beitrags des Rappers. Siehe unter anderem hier: https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/debatte/kommentare/des-kaisers-alte-kleider)
Bewertung KK11 zu Charlie Chaplins Rede aus ,Der groĂe Diktatorâ: dieses liegt in zwei Fassungen und mehrfachen Kopien vor, ein Mal der Auszug Chaplins Abschlussrede aus dem Film und eine Fassung, die mit Hans Zimmers âTimeâ hinterlegt ist.
Bewertung KK11 zu „Erika ,Eisernes Kreuz-Emojiââ: es handele sich dabei um ein Wehrmachtslied von 1938, dass durchaus zur NS-Propaganda genutzt wurde aber keine explizit rassistischen Textinhalte hat, âHeimatverbundenheit und Tapferkeit im Sinne des NSâ ist Bestandteil des Liedes und es handele sich bis heute um ein „umstrittendes aber bekanntes deutsches Kulturgut“ und Teil der zeitgenössischen Popkultur, da es in Sozialen Medien in den letzten Jahren hĂ€ufiger erscheine. Motiv am Besitz des Liedes könne „kulturhistorisches oder militĂ€rhistorisches Interesse“ gewesen sein.
Fazit des Staatsschutzes: Es sei „keine politische Gesinnung“ abzuleiten, es handele sich auch nur um vier von 1333 Treffer, die nicht homogen-politisch seien.
GroĂ-Bölting weist auf die gravierenden Unterschiede in der Recherche und Bewertung von bspw. Taten im islamistischen Bereich im Gegensatz zum Umgang mit diesem Fall hin und spricht von âbemerkenswerten BemĂŒhungen das kleinzureden, was auf rechte Ideologie hinweistâ und weiter „Adolf Hitler soll keine Bedeutung haben oder vermeintlich ironisch sein.“ Dazu drĂŒckt sie ihr UnverstĂ€ndnis darĂŒber aus, dass die Polizei keine Ahnung habe, wie Rechte agieren und keinerlei Kenntnisse darĂŒber, wie in rechten Kreisen mit Symboliken gearbeitet wird. So handele es sich bei der Audio-Datei nicht um âErika +â wie âPlusâ verlesen, sondern um ein Eisernes-Kreuz-Emoji. „Es wĂ€re wĂŒnschenswert, wenn jemand mit der Auswertung betraut wĂŒrde, der wissenschaftliche Kenntnisse zu Rechtsextremismus habe“
AnschlieĂend werden AuszĂŒge aus dem Bundeszentralregister des TĂ€ters werden verlesen: UrteilssprĂŒche in Hagen und dem Amtsgericht Solingen wegen Unterschlagung und Diebstahl geringfĂŒgiger Sachen im Zeitraum 2018 und 2020. Richter Kötter gibt anschlieĂenend BaĆay-Yıldızs Antrag auf ihr 45â60-minĂŒtiges AbschlussplĂ€doyer am Tag der UrteilsverkĂŒndung (30.7.2025) statt, fĂŒr das sie fĂŒr einen Tag aus ihrem Urlaub anreisen wird. Die Verteidigung des Angeklagten meldet sich daraufhin zu Wort und beantragt, statt an dem fĂŒr die PlĂ€doyers vorgesehenen Montag, ebenfalls am Tag der UrteilsverkĂŒndung zu sprechen. Insbesondere Ohliger sei wichtig, nach BaĆay-Yıldız sein AbschlussplĂ€doyer zu halten. Radovslavov fragt, ob es zu einer Nachverhandlung zum Brandanschlag in der NormannenstraĂe kommen wird, worauf Staatsanwalt Bona entgegnet, dass dies nicht im Rahmen dieser Verhandlung erfolgen wird.
Abschlussaussage des psychologischen Gutachters Prof. Dr. Faustmann
Dieser beginnt damit, dass es keine neuen Aspekte gĂ€be, die aus Daniel S. „Netzverhalten“ als auch seiner Beobachtung der letzten Prozesstagen zu lesen sei. (*Anmerkung: Bemerkenswert ist, dass sich der Gutachter in seinen anschlieĂenden AusfĂŒhrungen ausschlieĂlich auf eine Zusammenstellung von Informationen der Polizei stĂŒtzt und sich in seiner Bewertung der politischen Komponente lediglich auf Datenfunde von 2017 mit rechtsextremen BezĂŒgen bezieht. Keine Rolle spielen aktuellere Chat-VerlĂ€ufe, in denen Daniel S. den Wunsch Ă€uĂerte, dass sich âAuslĂ€nderâ an Silvester âwegböllernâ (Artikel von ND) sowie Youtube-Abrufe von AfD- und Wehrmachtsliedern oder eindeutige Google-Suchanfragen seitens des TĂ€ters (Vgl. vergangene Prozessberichte))
Daniel S. habe eine Verhaltensstörung durch jahrelangen Amphetaminkonsum. Seit dem 12.-13. Lebensjahr konsumiere er Cannabis und relativ kurz danach auch Amphetamine: „sehr hoch, sehr viel ohne Ausfallserscheinung, nahezu tĂ€glicher Konsum und hohe Toleranzgrenze“. In den Jahren 2005/6, dann 2008/2009, 2013/2014 hatte er Klinik-/Reha-Aufenthalte, die er alle abgebrochen hat.
Weiter gibt der Gutachter zu Protokoll, Daniel S. habe an dem psychologischen Gutachten mitgewirkt. Die psychosozialen Auswirkungen des Drogenkonsums seien unter anderem, dass eine „berufliche TĂ€tigkeit nicht mehr festzustellen sei“ und er eine „gewisse Unzufriedenheit und Langeweile“ aufweise, „wenig emotional, sehr sachlich“ sei. Das „Selbstkonzept“ des TĂ€ters sei ein „Streben nach Autarkie“, das in beruflicher und partnerschaftlicher Interaktion nicht erfĂŒllt worden sei. Weiteres Element seines „Selbstkonzeptes“ sei es, „sich selbst durch die Abwertung anderer zu stĂ€rken“ â eine Identifikation mit den StĂ€rken anderer und gleichzeitige Abwertung anderer sei stark bei ihm ausgeprĂ€gt.
Zur politischen Einstellung des TĂ€ters aus psychiatrischer Sicht sagt er aus, dass der erste Aspekt von Daniel S. Strategien sei, sich selbst in der StĂ€rke von SS-Offizieren und NS-Bildern zu sehen. Von „Identifikation“ zu sprechen, „wĂ€re zu stark“. Ein zweiter Aspekt, sei das Prinzip, sich selbst ĂŒber andere zu stellen und andere „auf Grund von Hautfarbe sowie jĂŒdischer und muslimischer Religion“ abzuwerten. Eine „handlungsleitende Funktion“ oder unmittelbare BezĂŒge zur Tat seien dem allerdings nicht zu entnehmen. Er könne keine unmittelbare Ableitung aus psychiatrischer Sicht vornehmen. Es sei eher durch „persönliche Belastungserfahrungen“ zu erklĂ€ren, dass sich der TĂ€ter sich sozial zurĂŒckgezogen und in eine „regressive SelbstbeschĂ€ftigung hin zur selbstbestĂ€tigenden Handlung“ begeben habe. Dies liege „viel tiefer“ als „bestimmten Menschen Schaden zuzufĂŒgen“. Er sei in Beziehungen belastet gewesen, seine Partnerinnen hĂ€tten zu seiner Idealisierung geneigt und er habe nicht genĂŒgend StabilitĂ€t in diesen Beziehungen bekommen. Daher habe er eine „Selbststabilisierung durch Objekt-Abwertung“ und „Kompensation gegen Dinge, nicht unmittelbar gegen Menschen“ gefunden.
Bona fragt, ob Objektabwertung in diesem Zusammenhang auch âMenschenâ bedeute. Gutachter: Objekt bedeute hier auch Personen, welche Bedeutung das Wissen um die Anwesenheit von Menschen in den HĂ€usern wĂ€hrend der Brandlegung fĂŒr den TĂ€ter spielte, lieĂe sich nicht abschlieĂend klĂ€ren. Es sei auch in Betracht zu ziehen, dass es sich auch um eine Ăberhöhung durch das HinzufĂŒgen von Schaden an den Bewohner*innen handele, er habe diesen Aspekt aber in der Begutachtung nicht klĂ€ren könne. (Anmerkung: Wenn es dem TĂ€ter nicht um das Ermorden von Menschen ging, wieso hat er dann in der NormannenstraĂe die AusgĂ€nge versperrt?)
Bona Ă€uĂert, dass die Tatorte aus seiner Sicht nicht aus „auslĂ€nderfeindlichen Motiven“ ausgewĂ€hlt worden seien. Da im Haus in der Solinger JosefstraĂe (* ebenfalls Brandanschlag durch Daniel S.) eine Familie mit einem deutschen Namen wohnte, sei ein „auslĂ€nderfeindliches Motiv widerlegt“. Gutachter: Es handele sich bei den Tatorten um „Orte der eigenen Biografie“ des TĂ€ters und dadurch in einer BewĂ€ltigung einer zurĂŒckliegenden KrĂ€nkung des eigenen Selbst. AbschlieĂendes Wissen um die „Empfindsamkeit“ des TĂ€ters fehle.
Bona: WĂ€re nicht eine intensivere BeschĂ€ftigung mit rechtsextremen Inhalten â nicht nur im Tatzeitraum von zwei Jahren (2022 und 2024) und eine BeschĂ€ftigung mit NS-Inhalten im „Promillebereich“ – bei einer Radikalisierung erwartbar? Er fĂŒhrt aus, dass er sich auch mal intensiv mit Motiven zu BrandanschlĂ€gen beschĂ€ftigt habe: In den meisten FĂ€llen handele es sich seines Wissens um Pyromanie, Versicherungsbetrug und psychische Störungen.
Der Gutachter pflichtet dem bei, dass er â entgegen anderer FĂ€lle extrem rechten Terrors, die er verfolgt habe â Daniel S. als âruhigen, stillen Menschenâ wahrnehme, der âin sich selbst sehr verletzbarâ sei. Es handele sich bei ihm um eine BewĂ€ltigung, keine Radikalisierung z.B. im Darknet. (*Anmerkung: Wohlgemerkt, kaufte der TĂ€ter wie viele andere extrem rechte Terroristen Schusswaffen im Darknet, was hinsichtlich einer Bewertung seiner Radikalisierungstendenz anscheinend keine Rolle spielt.)
Bona findet, dass sich Motive zur Brandstiftung hĂ€ufig in einem âAnzĂŒnden zur eigenen Selbststabilisierungâ fĂ€nden. Gutachter pflichtet dem erneut bei und verweist auf Heidelberger-Studien von vor der „letzten Jahrhundertwende“. Es sei nicht das Feuer und nicht die aggressiv-kĂ€mpferischen AnschlĂ€ge, die den TĂ€ter faszinierten, sondern eine „softe Brandlegung“. Radovslavov fragt dazu, wieso der TĂ€ter dann nicht sein eigenes Haus anzĂŒndete, sondern andere HĂ€user? Gutachter: Den TĂ€ter trieb seines Erachtens der „lange Weg und das lange durch die Nacht streifen“ zu den Orten. Er vergleicht dies mit einem Jogger, der sich ĂŒber seine gelaufenen Kilometer selbstvergewissere. Auch die intensive VorbeschĂ€ftigung und Vorbereitung der BrandsĂ€tze diene aus seiner Sicht einem Regressionsabbau „ĂŒber mehrere Stunden.“
AnschlieĂend werden alle AntrĂ€ge von BaĆay-Yıldız seitens des Gerichts abgelehnt. In der Gesamtschau seien die Indizien nicht ausreichend fĂŒr eine Anerkennung einer rassistischen Gesinnung. Die Konflikte mit seinem marokkanischstĂ€mmigen Nachbarn in der NormannenstraĂe vor dem Brandanschlag als auch mit seinen italienischen Nachbarn in der Hofschaft in Solingen seien „nachbarschaftliche Streitigkeiten“ und nicht durch Rassismus gekennzeichnet. Auch seine Partnerin sowie Ex-Partnerin hĂ€tten keine Kenntnis ĂŒber rassistische Einstellungen des TĂ€ters gehabt – diese hĂ€tte zumindest angedeutet auffallen mĂŒssen. (*Anmerkung: Von Beginn an beobachten wir, dass die Partnerin des TĂ€ters, die sehr wahrscheinlich von dessen Brandstiftung in ihrem ehemaligen Wohnhaus in der NormannenstraĂe gewusst hatte und bis heute BeitrĂ€ge aus dem verschwörungsideologischen und extrem rechten Spektrum auf Facebook postet, immer wieder als verlĂ€ssliche Quelle fĂŒr das Gericht bezĂŒglich Daniel S. politischer Gesinnung angefĂŒhrt wird. Dies ist am heutigen Prozesstag besonders befremdlich, nachdem die Nachbarin als Zeugin, nicht nur in der Nacht vor ihrer Aussage von Jessica B. und der Partnerin von Marcel L. eingeschĂŒchtert wurde. Diese sagte auch vor Gericht aus, dass Jessica Daniel S. eindeutig schĂŒtzen möchte. Dennoch bezieht sich das Gericht nach wie vor absolut unkritisch auf ihre positive Darstellung ihres LebensgefĂ€hrten.)
Auch BaĆay-Yıldızs Antrag, eine unabhĂ€ngigere Polizeibehörde mit den Ermittlungen zu dem Fall zu beauftragen, wird abgelehnt.